Nachdem ich entspannt in das neue Jahr gestartet bin, habe ich die ersten Wochen des Jahres damit verbracht, mich zu entscheiden, welche der zwei Geschichten, die so in meinem Kopf herumschwirrten, nun mein neuer Roman werden soll. Da bestünde natürlich die Möglichkeit, zwei Romane gleichzeitig zu schreiben. Es soll Kollegen geben, die beherrschen diese Vorgehensweise perfekt. Da muss ich passen. Kann ich nicht. Ich muss mich auf eine Geschichte und deren Figuren konzentrieren. In dieser Hinsicht bin ich sogar nicht multitaskingfähig. Am Anfang steht immer ein Thema, über das ich schreiben möchte und zu diesem Thema gehört immer etwas, was ich vermitteln möchte: Ein Gefühl, eine Sichtweise. Ich tauche ab in die Geschichte, entwickle die Figuren in meinem Roman und deren Charaktere. Sie werden mir nach und nach vertraut. Während ich mich mit ihren Gedanken, Gefühlen, Entscheidungen und Beobachtungen auseinandersetze, bin ich oft erstaunt, wohin mich die Geschichten führen und das gelingt mir nur, wenn ich mich auf eine Geschichte konzentriere. Ich bin mitunter selber überrascht, welche Wendungen meine Sichtweisen mitunter nehmen, wenn ich meine Figuren zum Leben erwecke und mal schaue, wie sie auf was reagieren und genau das macht für mich das Schreiben so spannend, ich kann vorübergehend jemand anders sein. Es ist mir auch schon passiert (so war es zum Beispiel bei „Weder Himmel noch Hölle“), dass sich die Geschichte in eine ganz andere Richtung entwickelte, so dass aus einem angedachten humorvollen Roman, der den Alltag eines Anwaltsbüros wiedergeben sollte, doch weitaus mehr wurde. Das Anwaltsbüro war irgendwann nur noch der Schauplatz, und es wurde eine ganz andere Geschichte erzählt, als ich zunächst wollte.
Nach Vollendung dieses vierten Romans hatte ich mir eine Schaffenspause gegönnt. Dann verspürte ich den Wunsch, mein erstes Werk „Und nichts die Stunde uns wiederbringen kann“ zu überarbeiten und mit diesem Projekt hatte ich mich dann bis letztes Jahr beschäftigt. Und nun war also der Moment gekommen, mich vor den Computer zu setzen und meinen fünften Roman zu beginnen. Der Cursor blinkte fröhlich auf dem Bildschirm und ich dachte: So, nun werden deine Finger dir doch den Weg weisen und los schreiben und dir zeigen, welche Geschichte es denn nun wird. Taten sie aber nicht. Ich beobachtete den blinkenden Cursor und meine Finger taten nichts. Die blockierten und ich fragte mich, ob das mit der Schaffenspause (bezogen auf den fünften Roman, es war ja nicht so, dass ich in der „ Pause“ nicht nichts geschrieben habe) doch keine so gute Idee gewesen war. Aber hatte ich mir nicht immer vorgenommen, mich von meinem Gefühl, von meiner Eingebung leiten zu lassen? Und die sagte damals nach dem vierten Roman ganz klar: Pause! Vielleicht war das falsch. Vielleicht unterbricht man damit seinen Schreibfluss. So blinkte der Cursor weiter und meine Hände taten nichts. Und dann stand ich letzten Freitag in der Küche und bereitete für Freunde ein Vier-Gänge-Menü vor. Während meine Hände in den Kochtöpfen rührten und im Hintergrund Musik spielte, formte sich in meinem Kopf der Anfang einer Geschichte und auf einmal war mir klar, das ist sie! Ja, ich weiß, ein denkbar ungünstiger Augenblick, mang den Kochtöpfen und unter leichtem Zeitdruck. Bei allem Verständnis, das meine Gäste sicher für Kreativität grundsätzlich aufbringen, hätte das Verständnis genau dann ein jähes Ende gefunden, wenn ich den ersten und zweiten Gang durch mehrere Aperitifs ersetzt hätte. So blieb mir nur ein Notizblock, der auf der Arbeitsplatte zwischen Herd und Spüle platziert wurde und ich hielt nebenher stichpunktartig meine Gedankenansätze fest. In dieser Sache bewies ich dann doch die Fähigkeit zum Multitasking, denn das vier Gänge Menu war pünktlich fertig, und ich empfing meine Gäste entspannt und von meinen Gedankenergüssen beseelt, bestens gelaunt und stellte fest, dass mir das Kochen zuvor noch nie so einen Spaß gemacht hatte, wie an diesem Tag.
Einen Tag später setzte ich mich an den Computer und schrieb los und der Cursor kam gar nicht mehr zum Blinken. Und nun lasse ich mich treiben, von der Idee und bin schon ganz gespannt, wem ich alles in meiner neuen Geschichte so begegne und wie sie wohl enden wird. Ob ich nach circa 200 Seiten (mehr habe ich mir für dieses Mal nicht vorgenommen, das überarbeitete Werk umfasst über 600 !!!!! Seiten) wieder erstaunt feststelle, dass alles so ganz anders kam? An dieser Stelle möchte ich gern Roland Barthes zitieren: Das Schreiben, als Prozess verstehen, in dem sich der Schreibende auflöst, Teil des Textes wird. Genau so fühlt es sich für mich an.
Claudia Lekondra