Gedanken zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit

COVID 19 beherrscht seit Monaten unser Leben, wirft seine Schatten und stellt viele andere Ereignisse in den Hintergrund. Die ersten Ermüdungserscheinungen zum Thema Pandemie machen sich in der Bevölkerung breit, man ist dem Dauer-Alarmismus überdrüssig. Man will nicht mehr stumpf auf Zahlen starren, die mehr Fragen aufwerfen, als es Antworten gibt. Also wendet man sich dieser Tage doch gern anderen Ereignissen zu. Wie wäre es zum Beispiel mit dem 30. Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands! Historisch korrekt ausgedrückt: Vor 30 Jahren trat die DDR der Bundesrepublik Deutschland bei. Und wenn wir schon bei dem Thema korrekt ausdrücken sind: Gesetzlich formuliert, vor 30 Jahren am 03. Oktober erfolgte die Herstellung der Einheit Deutschlands. In unseren Kalendern ist hierzu als Feiertag Tag der Deutschen Einheit vermerkt. Aber wie wir ihn auch immer bezeichnen wollen, es geht an diesem Tag darum, sich zu erinnern. Zum Beispiel daran, welche Hürden seinerzeit genommen werden mussten, um das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Denn mit der „Wiedervereinigung“ Deutschlands war lediglich die Grundlage dafür geschaffen, dass wieder zusammenwächst, was zusammengehört. Dazu musste zunächst das entfernt werden, was das Land über Jahrzehnte am augenscheinlichsten trennte. Die Mauer!

Bereits im Juni 1990 wurde mit dem Abbau der innerstädtischen Mauer in Berlin begonnen. Die Grenztruppen der DDR, die bisher die Mauer bewachten, hatten nun die Aufgabe, diese zu zerstören. Jene Mauer, die sie sogar unter Einsatz von Schusswaffen gegen „Grenzverletzer“ bisher zu schützen hatten. Welch Ironie! 184 km Mauer, 153 km Grenzzaun, 144 Signalanlagen und 87 km Sperrgraben waren allein in Berlin abzubauen. Ein Aufwand, der die Grenztruppen vom Umfang her überforderte, so dass sie seitens der alliierten Schutzmächte, von den Pionieren der Bundeswehr sowie von Bauunternehmen Unterstützung erhielten. Bereits Ende November 1990 war die „Mauer“ in Berlin verschwunden. Übrig blieben lediglich Abschnitte der Grenzmauer, zum Gedenken an die Teilung der Stadt und viele kleine Mauersteine, die man in dem einen oder anderen Privathaushalt findet. Auch ich besitze so ein Mauerstück, das ich seinerzeit persönlich an der Grenze einsammelte. Der Abbau der gesamten ehemaligen innerdeutschen Grenzen dauerte noch bis Mitte der 90er Jahre an. Rückblickend gesehen, gehörte das Entfernen der Mauer als Trennungsmerkmal zu den doch eher einfacheren Aufgaben, was das Zusammenwachsen des Landes betraf. 

Auf dem ehemaligen sogenannten Todesstreifen stehen längst Häuser und deren Bewohner verschwenden sicher heutzutage kaum noch einen Gedanken daran, dass ihr schöner Garten vor 30 Jahren zu einer Grenzanlage gehörte. Und das ist normal, so ist das Leben, es geht weiter. Das ist Geschichte. So wird auch unser Heute, mit all den Corona bedingten Einschränkungen, in Zukunft Geschichte sein und so wie wir heutzutage rückblickend auf den Prozess der Wiedervereinigung erkennen, dass wir mit dem Wissen von heute einiges anders gemacht hätten, werden wir in der Zukunft auch rückblickend erkennen, was im Umgang mit der Pandemie hätte besser gemacht werden können. Welche Einschränkungen nicht gerechtfertigt waren, wo man früher oder anders hätte reagieren sollen. Die aktuellen Einschränkungen verbunden mit den täglichen Meldungen der Zahlen der Corona-Infizierten, machen mir nicht nur den Verlauf der innerdeutschen Bundesgrenzen, sondern auch den Grenzverlauf zu den Nachbarländern wieder sichtbar und lösen in mir ein gruseliges Gefühl eines Déjà Vu aus. Gedenken wir also den 30. Jahrestag der Einheit Deutschland und lassen den 3. Oktober aus den COVID 19-Schatten treten.

 

Claudia Lekondra