Wartezeit empfinden wir als verlorene Zeit. Das ist der Grund, warum wir mit dem Warten so ungeduldig umgehen. Beim Arzt im Wartezimmer, an der Kasse im Supermarkt, auf dem Bahnsteig, an der Bushaltestelle, auf dem Flughafen. Warten auf einen Anruf, auf einen Bekannten, Freunde oder Geschäftspartner. Bei diesem Warten geht es immer nur um ein paar Minuten, eine halbe Stunde, manchmal ein paar Stunden und vielleicht lässt ein erhoffter Anruf mal einen Tag auf sich warten. Wir mögen das Warten nicht, weil wir das Gefühl haben, nichts dagegen tun zu können, dass wir in dieser Phase fremdbestimmt sind. Wir sind es gewohnt, effizient unser Leben zu organisieren und zu planen. Am Anfang eines Jahres stehen bereits die Urlaubsplanungen, die nächsten vier Wochen sind mitunter freizeitmäßig bereits verplant. Ein erlebnis- und ebenso abwechslungsreiches Leben will eben gut organisiert sein. In so ein Leben passt das Warten nicht.
Wenn wir in den letzten Monaten etwas gelernt haben, dann das Warten. Wir alle warten, dass diese Pandemie ihren Schrecken verliert und die epidemische Gefahr gebannt wird. Hierbei geht es nicht um ein paar Minuten, Stunden, Tagen oder Wochen des Wartens. Wir warten bereits seit Monaten. Immer wieder wird der Gesellschaft eingeredet, dass die mit der Corona Pandemie einhergehenden Einschränkungen auch als Chance, als eine Art Auszeit zu sehen sei, unser Leben zu überdenken. Mal davon abgesehen, dass ich - und sicher auch einige andere - auch ohne eine "Auszeit" durchaus in der Lage bin mein Leben zu überdenken und es genauso gut fand, wie es bisher verlief, stellt vielleicht tatsächlich der einer oder andere derjenigen, die weder einer Risikogruppe angehören, noch vor dem wirtschaftlichen Aus stehen, und nicht einer trostlosen perspektivlosen Zeit entgegen blicken, fest, dass es manches zu entdecken gibt, was man vorher nicht wahrgenommen hat oder man sich eben einfach daran erfreut, dass dem Leben etwas an Tempo genommen wurde. Andere haben vor lauter Sorgen um ihre Existenz kaum die Möglichkeit, in der "Auszeit" etwas Positives zu sehen und fühlen sich mit dieser Art von schlauen Ratschlägen sicher fast schon provoziert.
Die Tage bin ich auf einen Post von mir gestoßen, den ich vor fünf Jahren online gestellt hatte. Auf dem Foto sieht man eine Weinflasche neben einem Glas Wein und Kerzenschein. Es vermittelt einen gemütlichen und kuscheligen Eindruck und ich zitierte dazu Albert Einstein: Inmitten der Schwierigkeit liegt die Möglichkeit. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was es gewesen war, das mich zu diesem Post hat hinreißen lassen, ob ein Erlebnis oder eine Unterhaltung. Ich bin mir aber sicher, dass ich nicht die Art der Schwierigkeiten gemeint hatte, die uns in den letzten Monaten umgeben und auch die angedachten Möglichkeiten in einem anderen Zusammenhang standen. In den letzten Monaten haben wir vielleicht alle gelernt geduldiger zu sein, wenn auch nicht aus Überzeugung, sondern eher aus mangelnden Alternativen. Also warten wir, obwohl wir darin so verdammt schlecht sind. Vielleicht ist das die Möglichkeit inmitten der Schwierigkeit.
Claudia Lekondra