Der Dauer-Lockdown hat mich in meiner Meinung bestätigt, wie wichtig es ist zu reisen. Dass wir nicht zuhause sitzen und versuchen, uns aus der Ferne ein Bild von Land, Leuten und Stimmungen zu machen. Denn so sind wir immer darauf angewiesen, dass uns ein Medium die Bilder und Eindrücke liefert. Dabei ist es wichtig, sich vor Ort sein eigenes Bild zu machen. Während man zwangsweise Monate lang zuhause saß, erreichten einen die Nachrichten über die Lage der anderen Länder und mit anderen Ländern meine ich nicht etwa Länder auf anderen Kontinenten, sondern ich meine unsere Nachbarn in Europa und die Bundesländer unserer Republik. Man wurde überflutet mit Zahlen und Statistiken über die gemeldeten Infektionen und der an und mit Corona Verstorbenen in den jeweiligen Bundesländern und im europäischen Ausland. Man war ständigen Analysen ausgesetzt, warum und weshalb die Lage woanders besser oder schlechter sei, und es entstand das Gefühl als trennten uns auf einmal Welten. Ich wollte mir ein persönliches Bild von der Lage machen, aber aufgrund des Reiseverbots bestand diese Möglichkeit nicht einmal innerhalb Deutschlands.
Für mich ist das Reisen eine wichtige Art von Freiheit und dabei hängt die Freiheit nicht von den Kilometern der Entfernung meines Reiseziels ab. Wichtig ist, das gewohnte Umfeld zu verlassen und dazu muss man nicht ans andere Ende der Welt reisen. Schon innerhalb Deutschlands entdeckt man unterschiedliche Landschaften, andere Gewohnheiten und kulinarische Unterschiede. Wichtig ist es, neue Eindrücke zu gewinnen und somit Abstand zum Alltag zu bekommen und dabei die Möglichkeit wahrzunehmen, Lösungen für Probleme zu erkennen, die einem im Alltagsleben beschäftigen. In den letzten Monaten habe ich erkannt, wie wichtig es ist, durch die Pandemie bedingte Isolierung nicht zu vergessen, dass wir nicht der Mittelpunkt der Welt sind. Mit unseren Ansichten sind wir ein Produkt unserer Umgebung und Herkunft. Das Reisen ermöglicht es uns, durch Begegnungen mit dem Anderen aufgeschlossener Neuem gegenüber zu sein und sich der Gefahr von Vorurteilen eben nicht auszusetzen. Das vereinfacht vieles im Leben.
Reisen stärkt das Selbstbewusstsein und ist für die persönliche Entwicklung nicht unwichtig. Man muss lernen in der Fremde zurechtzukommen. Begegnungen auf Reisen, Entdeckungen, andere Sprachen und Gewohnheiten wirken inspirierend und genau das hat mir gefehlt.
Als ich im Sommer zwei Wochen in Italien verbrachte stellte ich fest, dass sich zu diesem Zeitpunkt das Leben dort mit der Pandemie von dem Leben bei uns mit der Pandemie im täglichen Miteinander nicht unterscheidet. Es war schön zu sehen, dass sich auch ansonsten nichts verändert hat und uns eben keine Welten trennen. Dies persönlich vor Ort feststellen zu können, ist eine der wichtigsten Arten der Freiheiten.
Claudia Lekondra